Und dann kam Betty

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Betty

15. Juli

Wie die meisten Australier, hatte Stephen auch einen Pickup und meine ganzes „Stuff“ war schnell verladen. Es war früher Nachmittag, ich hatte keinen Hunger, schwor ich, und so konnten wir uns zu einer Stadtbesichtigung im Auto auf machen. Mir war es recht nicht zu laufen, ich wollte mich ausruhen.

Stephen wusste von meinem Problem mit dem Reifen und so suchten wir als erstes ein Fahrradgeschäft auf. Neben den üblichen Reifen, hatte ich Scooterreifen zur Auswahl. Schon beim Anfassen merkte man den Materialunterschied. 65$ für einen war ein stolzer Preis, aber bei dem Verschleiß eine gute Investition. Als wir meine Reifen später abholten, hatte er mal noch 35$ fürs Aufziehen drauf geschlagen. Ich war sauer. Das hatte er nicht gesagt. Aber jetzt war es zu spät. Wenn die nicht halten, dann aber…… (komme ich vorbei und …. das wird nicht passieren…. weiß der ja nicht!!!)

Bundaberg ist weit über die Landesgrenzen für seinen Rum und das Bier bekannt. So war ein Vorbeifahren an der Großbrauerei und Destillerie ein „Muss“.

Die Innenstadt hatte, wie in Townsville, eine belebte Hauptstraße, mit vielen kleinen Läden und Geschäfte. Da jeder hier in einem eigenen Haus wohnt, war Bundaberg sehr großflächig, wie die meisten Städte in diesem Land. So dauerte unsere Tour eine Stunde.

Zum Strand nach Bargara waren es 10 km und für mich eine Idee für den kommenden Tag. Auf dem Weg zu Stephens Familie, machten wir noch einen Abstecher zu seiner Mutter. Er möchte in den nächsten Tagen eine Tür reparieren und benötigt noch ein paar Vorbereitungen.

Und da war sie: Betty. Ihre 80 Jahre sah man ihr nicht an. Sie war über unseren Besuch sehr erfreut und während Stephen im Haus unterwegs war, gesellte ich mich zu der alten Dame und schon waren wir im Gespräch. Sie wollte alles wissen, über mich, meine Reise, mein Leben…… Und das „alte“ nahm ich sofort wieder zurück. Sie war fit im Kopf und kannte sich aus in der Welt. Mit der war sie seit Jahren über die Zeitung, Bücher, Email und vor allem Skype verbunden. Gutes Gehirnjogging war auch mit Sudoku möglich, das verrieten die Rätselzeitschriften neben ihrem Fernsehsessel.

Mir gefiel besonders die Art wie sie alles betrachtete. Ihre Sätze waren langsam und mit Bedacht formuliert und ich konnte alles gut verstehen. Mein „little-yellow-book“ hatte ich immer bei mir und half die eine oder andere Hürde der Kommunikation zu überbrücken. Ich war im Himmel und Stephen konnte sich ruhig Zeit lassen…..

Zum Abendbrot war die Familie komplett und jeden Dienstag gesellte sich auch Betty mit dazu. Gut das heute Dienstag war. Stephen, Terry und die beiden Töchter lebten in einem sehr schönen Haus in der Vorstadt. Angela lebt bei ihrem Freund und so hatte ich ein Zimmer für mich. Mit Betty und Sarah saß ich noch lange am Tisch und wir erzählten über London. Betty ältester Sohn Mark lebt dort und Sarah war erst vor Wochen zu Besuch gewesen und hatte auch Margarete, eine Freundin von mir, und ihre Tochter getroffen. So schließt sich manchmal der Kreis durch Freunde und Bekannte.

16. Juli

Neben Wäsche waschen und Reiseorganisation, war ich auf jeden Fall mit Betty verabredet. Keiner konnte glauben, dass ich nicht mit dem Rad an den Strand fahren, oder eine Shoppingtour machen wollte. Nein, ich wollte Zeit mit Betty verbringen. Sie erinnerte mich sehr an meine Omi und das musste ich auskosten. Am Mittwoch war Betty zu einem Dinner eingeladen. Christmas in July nennt man das in Australien. Ja, richtig verstanden. Sie feiern Mitte Juli Weihnachten, weil es da nicht so heiß ist und die typischen Speisen nicht zu schwer zu verdauen sind. Zur Tischdekoration hatte Betty schon eine kleinen Nikolaus aus der Truhe gekramt. Sie freute sich darauf, dass sah man ihr an.

17. Juli

Zu den schönsten Momenten gehörte der Ausflug nach Bargara. Wir saßen an der Uferpromenade der exklusiven Ortschaft mit Blick auf das Meer und die Seele konnte baumeln. An dem „Oh my Dear“ oder „Realy?“ konnte ich mich kaum satt hören. Wenn ich sie zum Lachen brachte, dann sagte sie stets „Oh, Andrea…“ (da A war dann ein Ä)

Natürlich fuhren wir mit Betty`s Wagen. Kaum zu glauben, sie war eine Raserin. Beim Ausparken fuhr sie sehr langsam, immer in der Hoffnung, der Verkehr wird anhalten. Kaum ging es vorwärts, dann rauf aufs Gas… Sarah hatte am Freitag Geburtstag und für ihre geplante Reise kaufte ich ihr ein Tagebuch mit passendem Stift. Betty half mir beim Aussuchen und Dank ihr war es in Sarah`s Lieblingsfarbe Türkis gehalten.

Betty`s Nachbarn waren aus Europa Zugereiste. So hatte ich am Donnerstag ein Date mit Ursula. Von Ursula wurde ich mit einem herzhaften Lachen und einer Umarmung begrüßt. Sie kam aus Deutschland und war seit den 90igern in Australien. Wir hatten 1 Stunde und nach deutscher Sitte unterhielten wir uns bei Tee und „süßem Stückle“. Da unser beider Leben bunt und vielschichtig war, entschieden wir uns für einen Schnelldurchlauf. Keiner wollte aufhören, denn die Geschichten waren interessant und sehr unterhaltsam. Aber mein nächstes Date wartete schon. Schade, nicht nur die Aussicht, mit Ursula am Wochenende zu einer Feier der Einheimischen und einem Jazzkonzert zu gehen, ließ mich in Gedanken länger bleiben, sondern auch die Lebensgeschichte dieser Frau war mehr als interessant. Niemals unterkriegen lassen…. dieses Fazit nehme ich mit auf meine Weiterreise. Danke Ursula!

Die 3 Tage vergingen wie im Flug. Als kleines Danke Schön kochte ich am letzten Abend. Spagetti mit Pesto, dazu Salat. Nicht das typischen Essen der Familie. Sie bedankten sich fürs Kochen, aber ein Oh oder Ah war nicht zu hören. Ok, das nächste mal gibt es Braten mit Rotkohl und Klöße…. so wie zu Weihnachten, denn schließlich war ja Juli…..

In die Stadt war ich nicht mehr zurück gekehrt und hatte somit nicht ein Foto von den Sehenswürdigkeiten. Aber ich habe eins von Betty und mir….. und was soll ich sagen: nur das war wichtig!

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