Der Frühling im Awartare Valley beschert uns noch so manchen Wintertag mit Schnee und Raureif am Morgen. Wenn die Sonne eine Chance hat, sind die Nachmittage warm und angenehm.
Die Arbeit im Garten muss noch etwas warten und so verbringe ich die Vormittage meist zusammen mit Mary und der täglichen Hausarbeit.
Nachmittags darf ich Steve bei seiner täglichen Farmarbeit begleiten. Für die Größe der Farm braucht es mehr als nur eine helfende Hand. Loyd und Grant sind die Handyman auf Muller Station. Loyds Frau Stef arbeitet als Cook, was besonders in der Shearingtime im Oktober und Mustringtime Ende April wichtig wird.
So ist Steve etwas entlastet, denn nach einer Knieoperation kann er die gewohnten Umfänge nicht mehr laufen. Loyd und Grant übernehmen deshalb die täglich Mustringarbeit. Dabei werden die Schafe zusammengetrieben und in ein anderes Gehege gebracht.
Über 20 km Zaun müssen kontrolliert werden. Dafür ist Roy zuständig, der sich immer nur für ein paar Wochen auf der Farm aufhält.
Im Winter müssen die Kühe zugefüttert werden. Das extra dafür angebaute Futter wurde getrocknet und in Ballen gepresst. Nach meinem Morgenkaffee 6 Uhr und dem Füttern der Hühner, stehe ich zusammen mit Ben auf dem Hänger des langsam fahrenden Unimog und verteilen das Futter über der Weide. Die Kühe müssen zugefüttert werden, denn sie finden nicht genug Futter in dieser Jahreszeit. Richtige Farmarbeit an frischer Luft, ich bin begeistert.
Mary erkennt schon nach ein paar Tagen das ich in Sachen Putzen, aufräumen, Wäsche waschen, Bügeln eine echte Hilfe bin. Liegt sicher auch daran, dass mich diese Arbeit entspannt. Ich finde schon nach einer Woche zu einer Alltagsroutine. Mary hat mir eine Liste erstellt, mit allen anfallenden Arbeiten. So muss ich nicht ständig fragen und kann mir den Tag selbst einteilen. Die Tasse Kaffee 6 Uhr ist mein Start. Ich esse auch dann immer ein Müsli, denn oft werde ich spontan irgendwohin mitgenommen, und es bleibt keine Zeit mehr für eine Stärkung. 9.30 Uhr ist Smoko… so wird das zweite Frühstück genannt. Dann sind alle versammelt und neben dem typischen englischen Frühstück, gibt es auch Kuchen und Süßes. Mary sorgt für Abwechslung und ist neben ihren Arbeiten im Garten ständig am etwas kochen, backen oder braten. Manchmal schleiche ich mich zurück in die Küche und nasche…. Das macht sich nach 2 Wochen an meinem Gewicht bemerkbar. Es schmeckt aber auch gut…. verdammich.
Die Nachmittag verbringe ich meistens mit Steve bei der Sheepwork. Er kontrolliert die Herden und das Gelände. So komme ich rum und genieße die Nachmittag in dieser sagenhaften Landschaft. Immer dabei die Hunde, die dann auch mal für ungeplante Aktionen schnell zum Einsatz kommen. Das tägliche Arbeiten mit den Tieren lässt alles spielerisch und leicht aussehen. Wenn man hier von Präzession sprechen kann, muss ich sagen, Steve beherrscht sie. Er ist nicht nur der Sheepwhisperer, sondern auch der Dogwhisperer, wie er mir in einer Unterhaltung lachend verrät. Im Internet hatte ich eine Artikel gelesen, in dem Steve zu der Arbeit mit seinen Hunden angesprochen wurde. Wir brauchen sie und sie brauchen uns. Das sie ihm aufs Wort gehorchen lässt auf sehr viel Training, Können und Geduld schließen. Ich bin fasziniert… Später höre ich von anderen, dass Steve wohl einer der Besten in seinem Fach ist.
Die Hunde selbst hört man auf der Farm kaum. Wenn doch, dann genügt ein kurzes „quiet“ und schon herrscht die gewünschte Stille. Gebellt wird nur auf Befehl. Wenn ich manchmal an den Hundehütten vorbei laufe, dann verfolgen mich vielleicht 18 Paar Augen, aber keiner sagt einen Mucks. Die sind entspannt und immer gespannt auf das nächste Abenteuer. Ihre Belohnung ist die Aufgabe an sich und die heißt Hüten oder Treiben. In der Mustringtime werde ich sicher mehr über all das erfahren.
Mit dem Auto auf Kontrollgang, werde auf dem Beifahrersitz durchgeschüttelt und staune nicht schlecht, wo man mit dem Geländewagen alles fahren kann. Als Copilot ist man automatisch für das öffnen und schließen der Tore zuständig. Mir ist klar, ich werde von Steve getestet. Nach ein paar Tagen dann, ich bin die ganze Zeit ruhig geblieben und wahrscheinlich war es ihm selbst manchmal zu waghalsig, fragt er mich warum ich nicht wie die meisten Frauen aufschreie und Angst habe… Das einzige was mir einfällt ist: Steve, wir sitzen beide im gleichen Auto. Was ich von dir weiß, dass Du Dein Leben genießt und liebst. Also warum soll ich Angst haben. Du passt auf Dich auf, also doch auch auf mich….
Er lacht darauf hin und es ist keine weitere Frage von Nöten.
Die meiste Zeit allerdings, schweigen wir. Wenn ich eine Frage habe, beantwortet er mir alles kurz und knapp, aber präzise. Von Mary weiß ich ,dass er Schwätzer nicht ausstehen kann, also halte ich die Klappe. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass ich Steve meistens nur im Kontext verstehe. In den ersten Tagen dachte ich, ich bin in der Schweiz. Ihm war irgendwann auch aufgefallen, dass ich mich mit Mary mehr unterhalte, mit ihm aber so meine Schwierigkeiten habe. Vielleicht liegt es ja einfach nur am Akzent….
Jeden Tag genieße ich schon am Morgen bei meinem täglichen Start die umliegende Landschaft und das Spiel der Sonne mit den Farben des Frühlings. Alle lachen wenn ich mit meiner Kamera, die ich immer bei mir habe, Bilder mache oder ins Staunen komme. Bin gespannt, wann ich das erste mal übersehe wie schön es hier ist. Aber bis dahin….. jeden Tag ein anderer Tag im Paradies!