Mit Katy von Icebreaker war ich 7 Uhr morgens zum Frühstück verabredet. Die Nachtfahrt mit dem Bus von Auckland nach Wellington hatte ich im Halbschlaf verbracht. Die Heizung ging nicht und die kalte Luft hatte mir einen Schnupfen beschert. So ein Mist, ich wollte nicht krank auf der Farm aufschlagen, denn das wäre kein guter Einstand. Zu spät, dachte ich mir, und kramte schon mal im Rucksack nach Mütze Schal und Handschuhe. Wohl wissend, dass mir auf der Reise der eine oder andere Wintertag begegnen wird, hatte ich auch meinen Daunenmantel griffbereit. Den konnte ich auf 15cmx12cm in einem Kompressionssack verschwinden lassen und war somit ein stetiger Begleiter in meinem Handgepäck.
Katy war so um die 30 und eine herzliche und sehr angenehme Person. Sie lauschte aufmerksam meiner kleinen Geschichte und war begeistert. Da ich mich ja doch bissl für verrückt hielt, stimmte sie gleich ein, sie sei das auch und liebe es.
Mit Icebreaker zieht sie gerade nach Auckland um, und muss in Zukunft pendeln. Sie bewohnt mit ihrem Mann ein Anwesen am Oststrand von Wellington und wird das auf keinen Fall aufgeben, was ich verstehe.
Katy möchte nach Taupo zum Ironman kommen und zuschauen. Das freut mich. Spontanität, wie erfrischend. Leider war die Zeit sehr kurz. Bis zum Ablegen der Fähre waren es gerade mal eine Stunde, aber uns beiden war klar, wir sehen uns wieder…
Mit dem Schiff verlasse ich die Bucht des Wellington Habour und nach passieren der Fitzroy Bay sehe ich die Spitze der Südinsel von Neuseeland. Nach 2 Stunden in der Cook Strait, die die beiden Inseln Neuseelands trennt, tauchen wir in die Marlborough Sounds ein. Die sonst sehr raue See ist an diesem Tag spiegelglatt und erspart mir das persönliche Geplauder mit den Fischen. Berge links und rechts, Buchten mit kleinen und großen Farmhäusern, einsame Strände… diese Bilder sind ein Genuss. Klar, ich bleibe trotz des eisigen Windes an Deck, denn nur so kann ich mich an der Landschaft satt sehen. Auch wenn die morgendliche Oktobersonne nur spärlich für Wärme sorgt, mein Winteroutfit macht es erträglich.
In Picton angekommen, habe ich 1 Stunde Zeit bis mich der Bus weiter nach Blenheim bringt. Dort wird mich Mary von Muller Station erwarten und dann geht es auf zur Merino-Schaf-Farm in den Bergen.
Pünktlich treffen wir mit dem Bus in Blenheim ein. Und da steht sie auch schon… Mary! Ich weiß nicht was ich erwartet hatte, aber sicher nicht das. Wie alle Farmer fährt auch sie einen großen Geländewagen. Mary ist ca. 1.70, schlank und trägt ein Kostüm… dazu Hausschuh, damit sie besser Auto fahren kann. Wie entspannt ist das denn. Wir lachen beide und man merkt auf Anhieb, dass die Chemie stimmt. Während wir mein Gepäck im Auto verstauen, fragt sie mich, ob es OK ist, wenn ich mir ein paar Stunden in der Stadt die Zeit vertreibe, denn sie ist auf dem Weg zu einer Beerdigung. Klar geht das, so kann ich mir Blenheim anschauen und ein paar Einkäufe machen. Später würden wir dann auch Steve treffen, der im Moment Besorgungen macht.
Blenheim ist überschaubar und nach einem Bummel durch die Mainstreet und einem kleinen Snack zum Lunch, entschließe ich mich in den Park zu gehen, um dort zu warten. Mein Laptop zeigt Lowbatterie und so bleibt mir nichts anderes, als in der Sonne zu sitzen und zu entspannen. Von der morgendlichen Kälte ist nichts mehr zu spüren und ich freue mich über die angenehmen Temperaturen. Meine Recherche im Internet hatte ergeben, dass Oktober und November zu den Frühlingsmonaten gehören. Wie das allerdings in den Bergen sein kann, davon hatte ich nicht wirklich eine Ahnung.
Gegen 15 Uhr kommt die erwartete SMS und Mary teilt mir den Treffpunkt mit. Das Cafe ist am anderen Ende der Innenstadt und ich kann es in 10 min Fußmarsch erreichen. Die Trauerfeier hat in Marys Gesicht Spuren hinterlassen. Wir trinken einen Tee und unterhalten uns, als Steve ankommt und wir nun in Richtung Awatare Valley und Muller Station aufbrechen können. Wir laden das Gepäck um und so landen meine beiden Rucksäcke auf die offene Ladefläche.
Ich darf vorn sitzen, damit ich die Landschaft besser genießen kann. Ich fühle mich willkommen…. Für 100km werden wir 2 Stunden brauchen. Das allein lässt schon auf den Zustand der Straßen schließen. So endet der Asphalt nach 20km und die für das Highland typischen Straßen beginnen. Schotterpiste festgefahren, würde ich es mal beschreiben. Wir kommen immer höher und mehr und mehr ins Hochland. Nach einer Stunde haben die Berge weiße Mützen und die Temperaturanzeige im Auto ist merklich gesunken.
Die Straße führt entlang des Awatare River, welcher in seinem breiten Flussbett von Weidenbäumen eingegrenzt wird. Der Fluss hat das ganze Jahr Wasser, verändert nur seine Breite und Tiefe mit den Jahreszeiten.
Der Frühling ist im Tal angekommen und das junge Grün auf den Wiesen und in den Bäumen bildet einen wohlwollenden Kontrast zu den schwarz-braunen Bergen und dem blau, in der sonne glitzernden, Flussbett. In der ganzen Zeit kommen uns gerade 2 Autos entgegen. In immer längeren Abständen wird ein Farmgebäude sichtbar oder ein Schild mit dem Namen einer Farm. Als sich eine Schafherde auf der Straße breitmacht, müssen wir warten. Steve erzählt von den Schafen in der Region. Die Herde vor uns hat Läuse, was man an der Verfärbung des Fells sehen kann. Er meint dazu nur: „Das wird wohl keine gute Ernte geben“ und „Gott sei Dank haben wir diesen Farmer nicht als Nachbar.“ Der Farmer hält kurz an, spricht mit Steve und Mary und schon fahren wir weiter. Hier kennt jeder jeden, großes Land mit nur wenig Menschen.
Die Natur hat das Tal nicht mit sehr vielen Bäumen gesegnet. Dort wo man Fichten sehen kann, ist auch ein Farmhaus in der Nähe. Diese Fichten wurden zur Holzgewinnung künstlich angebaut, das verrät die Anordnung der Bäume. In Reih und Glied. Stehen mehr als 4 Pappeln in einer Reihe kann man davon ausgehen, dass das die Straße zum Farmhaus ist. Die Vegetation ist karg und ab ca. 1000 hm nur spehrlich vorhanden. Schwer vorstellbar, dass dort oben Schafe und Ziegen noch etwas zu fressen finden. Als wir Middelhurst passieren, was die unmittelbaren Nachbarn Richtung Norden sind, befindet wir uns schon auf dem Gebiet von Muller Station. Steve erzählt von der Geschichte der Farm. So hat ein Doktor Müller Anfang des 19th Jahrhunderts das Land gekauft und aus Müller wurde Muller, weil keiner das „Ü“ aussprechen konnte. Steve`s Vater hat die Farm dann später erworben und Steve ist die zweite Generation in der Familie Satterthwaite. Er selbst lebt seit 40 Jahren auf Muller Station. Zur Hauptfarm hat er noch zwei weitere Farmen dazu gekauft. So zählt Muller Station jetzt mit 38.000 Hektar und 26.000 Schafen mit zu den größten Schaffarmen in Neuseeland. Molesworth, der unmittelbare Nachbar ist, mit 760.000 Hektar, die größte Farm des Landes. Allerdings werden dort nur Rinder gehalten. Diese Farm gehört dem Staat und wird von einem Farmmanager betrieben.
Ich weiß die Zahlen lassen sich sehr schlecht in ein Gefühl verwandeln. Ich werde später merken, wenn ich dachte das Terrain ist groß, dann ist es am Ende immer noch größer.
Ich freue ich mich auf meine zu hause für die nächsten 2 Wochen. Mary und Steve sind sehr sympathisch, jetzt bin ich nur gespannt wie die Farm ausschaut…..Die Straße gabelt sich und während Molesworth auf der rechten Seite angekündigt wird, lese ich auf dem zweiten Schild Muller Station. Wir sind da, und nach einmal links und einmal rechts des Weges überqueren wir eine Holzbrücke und nach wenigen Metern liegt das Anwesen vor uns. Rechts die Umfriedungen für die Arbeit mit den Schafen, eine kleine Koppel auf der zwei Pferde grasen, ein riesiger Schuppen, mehrere Häuser und schließlich etwas separat das Haupthaus. Große Farm, großer Garten, großes Haupthaus.
Die weiße Fassade bildet eine sehr guten Kontrast zum grünen Dach. Alles auf Muller ist in diesen Farben gehalten, was sich sehr gut macht. Vorbei an der Vierfachgarage und einem alten überdachten Lehmofen, kommen wir auf den Hof. Ich bin da und komme aus dem Staunen nicht mehr raus. Die Landschaft um die Farm herum ist sehenswert und Mein: Oh mein Gott, lässt Mary und Steve schmunzeln und man sieht ihnen an, dass sie stolz auf Ihr zu Hause sind….
Wir werden von Ben und Alice, den beiden Kindern erwartet. Ben ist 15, Alice 17 Jahre. Beide gehen in Christchurch zur Schule. Zur Zeit haben sie Ferien und können die 2 Wochen nutzen um mal wieder zu Hause zu sein. Da Muller Station 4 Stunden Autofahrt zu Christchurch liegt besuchen, sie das Internat. Nicht für jeden ist die Abgeschiedenheit des Heims geeignet und so ist Alice froh, dass sie im letzen Schuljahr ist und ab Januar auf der Farm anfangen kann zu arbeiten.