Wenn man 38.000 Hektar Land und fast genauso viele Schafe hat, dann bedeutet das Organisation vom Feinsten. Damit am Wochenende genügend Schafe zur Schur in Farmnähe sind, müssen diese in Etappen zusammen getrieben werden. Das nennt man im englischen Mustring. In den letzten …. Tagen habe ich hier und da einen Vorgeschmack bekommen, was die Arbeit des Schäfers ist. Zusammen mit seinen Hunden bringt er die Herde (Mob) von einer Weide in die andere.
Entlang der östlichen Seite des Flusses zieht sich ein Gebiet, das sich durch seine felsigen Hänge und schmalen Schluchten vom Rest des Farmlandes abhebt. Das Weideland öffnet sich immer zum Fluss. Die Merinos ziehen sich über Nacht in die Höhen der Berge zurück, um dann am nächsten Tag wieder ins Tal zurück zu kehren. Sicher auch wegen des Wassers, dass sie hoch oben nicht so leicht finden. Deshalb, so erklärt mir Mary, brechen wir an den Mustringtagen sehr früh schon auf. Die Schafe sind auf dem Berg leichter zu finden. Wenn ich „finden“ mir so auf der Zunge zergehen lasse, dann werden die Wörter Groß und Weit eine ganz andere Dimension. Und was Dimension hier im Awatere Valley und speziell auf Muller Station bedeutet, davon bekomme ich heute einen Eindruck.
Schon am Abend zufuhr wurde die Frühstückszeit auf normal 7am verlegt, denn die Wettervorhersage war absolut nicht positiv.
Dicke Regenwolken kündigten sich an und hüllten Berg und Tal in einen Nebelschleier. Keine Sicht, keine Merinos. So einfach…. So verbrachten wir den Vormittag mit den Dingen die wir sonst auch taten… Wäsche waschen, Bäume einpflanzen, Gartenarbeit, Kochen, Backen, Bügeln usw. Die Wettersituation gehört mit dazu und so ist es dann doch auch für die Alteingesessenen nicht alltäglich.
12am war es endlich soweit. 5 Treiber mit ihren Hunden stiegen auf und in den Unimog… Mary und ich durften bei Steve im Führerhaus sitzen. Loyd, Grant and Kingy auf die Ladefläche. Da jeder der Treiber 4 oder 5 Hunde dabei hatte, waren auf der Ladefläche dann auch gleich 20 Hunde. Nun hören genau diese ja aufs Wort und folgen ständig ihrem Besitzer. Eine Faszination geht davon aus, unglaublich. Wieder kein Kläffen, kein Bellen, absolute Ruhe, wenn auch die Hunde manchmal wild durcheinander rennen, um sich gegenseitig zu begrüßen und zu beschnüffeln. So sehe ich Schäferhunde, Rotweiler, natürlich Australien Shepard und Boarder Collies.
Mit dem Unimog holpern wir über Flussfelder, Hügel und Weideland. Ich halte manchmal die Luft an und denke so bei mir, jetzt kippt er.. aber dieses Auto ist unglaublich. Weit im Hinterland steigen Kingy, Mary und ich aus. Kingy wird die Berge von links nehmen, und wir gehen den Kamm weiter östlich. Mary und ihre 4 Hunde immer voraus, ich hinterher. „Behind me“ ruft sie immer wieder und die Hunde gehorchen und bleiben hinter ihr. Da allerdings bin ja ich, aber gut, ich bleibe so etwas weiter zurück, damit die Süßen Platz haben. Seit heute habe ich eine Stock, den man in den Bergen benutzt, um sich zu sichern. Die ganze Zeit hat mich Steve ohne laufen lassen, aber Mary findet ich brauche diese Unterstützung unbedingt. Mit etwas Übung merke ich das es so wirklich besser geht. Der Stock wird aus einheimischen Hölzern gefertigt. Das Holz ist leicht und sehr stabil.
Im Stechschritt jagen wir auf den Berg. Unser kleinen Rucksäcke sind leicht und beinhalten nur wetterfeste Bekleidung, einen Apfel und eine Orange, sowie etwas Wasser. Aber dafür haben wir gar keine Zeit. Es beginnt zu regnen und ich bin froh um meine Wasserdichte Hose und Jacke. Nass und kalt wären echt keine gute Kombination. Die Wolken sind hoch genug und wir haben trotz allem eine gute Sicht. Auf dem Gipfel angekommen, haben wir Einsicht über 4 Täler. Weiter östlich, hoch oben auf dem Grat sehen wir einen unserer Treiber mit seinen Hunden.
Wir können 2 Herden in den Tälern vor uns ausmachen und beginnen, diese weiter talwärts zu treiben. Mary kennt sich hier aus und weiß genau wo wir entlang gehen müssen, damit uns kein Mob entwischt. Die Merinos sind unglaublich schnell. Deshalb brauchen wir die Hunde, denn die sind noch schneller.
Alles geht recht flott und der aufgeweichte Boden, sowie die nassen und rutschigen Felsen werden ignoriert. Ich würde in normalen Umständen so niemals durchs Gebirge ziehen. Für Höhenangst habe ich keine Zeit und bin eifrig damit beschäftigt Mary zu folgen und das ganze Treiben zu beobachten. Jedes Flußbett durchschreiten wir ohne darauf zu achten, das das Wasser in die Schuhe läuft. So kann es passieren, dass wir den ganzen Tag die Nässe nicht mehr aus dem Schuh bekommen. Ich stelle fest, mein Schuh ist so dicht, der hält das Wasser auch wenn es von innen nach außen möchte. Gut gemacht Mammut.
Nach einer Stunde lässt der Regen nach und es klart etwas auf.
Mary dirigiert die Merinos mit ihrer Pfeife und ihren Rufen. So wird zuerst der Name des Hundes genannt, damit nicht alle auf einmal…. und dann das Kommando. Mit den unterschiedlichen Tönen signalisiert sie dem Hund ob er vor, zurück, rechts, links usw. gehen soll. Es funktioniert nicht immer alles gleich, aber mit Geduld dann doch.
Gegen 17 Uhr erreichen wir dann die Sammelherde. 8-900 Schafe sind jetzt zusammen. Morgen werden noch mehr Treiber erwartet und wir haben dann 80 Hunde auf der Farm.
Jeden Tag organisieren sich die Treiber unter Steves Anleitung neu. Routen und Treffpunkte werden abgesprochen, Walkytalky getestet und ich halte mich wie an allen Tagen an Mary. Im Auto sitzend, wird mir offenbart, dass ich heute das Auto fahren soll. Mir wird schlagartig schlecht. Steve war Tage zuvor mit der Planierraupe, die Autostrecke abgefahren, so dass sich die Unebenheiten in Grenzen halten, aber ich habe in so was keine Übung und Erfahrung ist hierbei existentiell. Mary bemerkt meine Reaktion und akzeptiert, als ich das erste mal seit Wochen, zu etwas nicht bereit bin. Aber wie das immer so ist, man redet darüber und nach ca. 10 min schränke ich meine Abwehr ein, indem ich erkläre, wenn der Weg so ist wie die Strecke die wir heute gefahren sind, dann ist es ok. Natürlich bejahen alle diesen Wunsch und ja es wird leicht zu fahren sein.
Als ich mit Mary über die Berge sause, habe ich ein erhabenes Gefühl. Ich bin Teil dieses Spektakels und spüre eine starke Energie. Die Geschwindigkeit, mit der wir die Hügel passieren ist unglaublich. Von wegen gleichmäßiger Schritt und langsames Tempo…. Da ich immer wieder ein Filmchen mache oder Bilder, muss ich rennen, um Mary und die Hunde wieder ein zu holen. Auf den benachbarten Bergen sehen wir gegen die Sonne die anderen Treiber auf die umliegenden Berge verteilt. Alle steigen zu den Hügeln auf um sich in den umliegenden Tälern nach Schafen um zu sehen. Dabei ist es wichtig kein Tal oder keine Schneise nicht einzusehen, denn genau dort könnte sich eine Herde befinden. Gut das die Menschen hier Farben lieben, denn so kann man sie in der kargen Landschaft besser ausmachen. Ist die Sonne, besonders morgens, hinter dem Berg, kann man die Treiber und Hunde durch Silhouette gegen das Licht erkennen. Die Stille der Berge ist beruhigend. Da man die Hunde schon von weitem hören würde, und die Schafe sofort mit der Flucht beginnen würden, sind diese angehalten, still zu sein.
Die Sammelherde wird einige Kilometer flussaufwärts getrieben, bis wir ein ein Tor erreichen, hinter dem das Gelände ist, auf dem dieser nun sehr große Mob weiden wird, bis die Schur beginnt.
5 solche Tage, die unterschiedlich sind, reichen um genügend Schafe für die Shearingtime in Farmnähe zu haben. Shearingtime is busy time…. und es steht fest, ich habe mich bewährt und kann länger als die vereinbarten 2 Wochen bleiben. Auch als Fahrer habe ich alles richtig gemacht und wie das immer so ist, einmal angefangen, werde auch das nun öfters tun.
Solche Tage, mit langen Märschen queer feldein, mit Sonne, Trockenheit und Wind werde ich noch oft erleben, denn es geht nicht ohne Mustring. Über den Sommer, wenn es in der Flußebene zu heiß wird und die Tieren nicht mehr genug zu fressen finden, dann wird ein Großteil der Herde in das Hochland getrieben. Für das Treiben zurück benötigt dann Steve und Mary mehr als nur 5 Treiber und sind eine Woche unterwegs. Dafür haben sie 2 Huts (das sind Hütten im Hochland) gebaut, die eine ständige Grundausstattung haben und auf Wunsch auch von Besuchern und vorallem Jägern genutzt wird.
Aber jetzt erst einmal beginnt das bunte Treiben der Shearers…. Meine Frage: ob Eyecandies (Süßes fürs Auge..) mit unter den Shearern sind, wird der Renner der nächsten Wochen… naja was denn, so in der Isolation kann doch etwas Abwechslung nicht schaden… ich bin gespannt.