25. Juni 2014
Oorschwerdbleede……….zum ersten mal während meiner Reise sprach ich das Wort, das eigentlich ein Satz ist, mit einer tiefen nach unten fallenden Stimme aus….. Zuerst traute ich mich gar nicht den Hänger bis zum nächsten Schatten zu schieben, um das Rad, an dem der Schlauch defekt war, nicht zu beschädigen. Die Last meines Trailers war ja vielleicht doch mehr als vom Hersteller empfohlen….aber was soll`s, so konnte ich nicht stehen bleiben. Der Bikerstreifen war zu schmal, und Schatten gab es erst in 200m. Also schob ich meinen Fahruntersatz über eine kleine Brücke, runter vom Highway, unter einen großen Baum.
Die Räder des Anhängers waren durch ein Federsystem an der Achse angeklickt… ich schaute mich nach einem Wagenheber um und fand einen Sandsack dazu ganz passend. Wahrscheinlich war hier vor einiger Zeit der Bach über die Ufer getreten und man hatte ein Anzahl von Sandsäcken zum Schutz der Straße aufgestellt. Der erste war an der Unterseite schon porös und zerriss als ich daran zog. Der zweite hielt und wurde von mir zum Rad geschleift. So konnte ich den Hänger stützen und das defekte Rad wegklicken. Als ich das Rad entfernt hatte, traute ich meinen Augen kaum. Die Hälfte der Manteloberfläche war wie nach einer Vollbremsung bis auf das Grundgewebe abgefahren. Und ich hatte eher an Glasriss oder Nagelloch gedacht.
Und nun? Duncan…. schoss es mir durch mein überhitztes Hirn. Vor vielleicht einer halben Stunde war Duncan mit dem Auto mir entgegen gekommen, hatte angehalten und wild gestikulierend sich gefreut mich zu sehen. Wie schon gesagt hatten wir die gleiche Richtung der Reise. Er hatte die letzte Nacht versucht in Balgal Beach zu übernachten, meinem heute ursprünglichem Ziel. Der Campingplatz For Free war allerdings mit Wohnwagen so vollgestopft, dass er mit seinem Hauszelt keinen Platz fand, nach Mutarnee ausweichen musste und sich für die nächsten 5 Tage für eine Alternative zum Strand entschieden hatte. Ingham war von hohen Bergen umgeben und lud zum Mountainbiken ein. Ein Campingplatz für 6 $ pro Nacht an den Jourama Falls, ganz in der Nähe war seine Lösung.
Da mein Handy seit Ingham ab und zu Netz hatte, rief ich Duncan, meinen Retter, sofort an… und er freute sich und war natürlich sofort auf dem Weg zu mir. 22 km war ich gekommen bis zum Knall… schon nach kurzer Zeit hielt das erste Auto, der Mann stieg aus und bot mir Hilfe an. Das zeigte mir, dass es immer einen Plan B geben wird. Die gelobte Hilfsbereitschaft der Australier ist also kein Mythos.
In der Wartezeit montierte ich den Mantel vom Rad und schaute mir den Schlauch an. Der hatte nur ein Loch. Das wurde von mir sofort fachgerecht verarztet. In meinem Erste-Hilfe-Set finde ich Tape und versuchte sofort damit die Innenseite des Mantels zu präparieren. Noch ganz in Gedanken, was ich tun kann um nach Ingham zurück zu fahren, hielt mein Freund aus Gladstone und sein „Oh my Good“ bestätigte mir den außergewöhnlichen Schaden des Mantels. Einen Tag vorher war ich wie schon erzählt übe eine 150m hohe Paßhöhe nach Ingham gefahren. In das Lager des Rades hatte sich ein schwarzer Faden eingearbeitet, der dann (so meine Idee dazu) das Rad bei der Abfahrt blockierte. Ich hatte die einseitige Radblockade nicht bemerkt und so den Belag abgebremst. Die Schadensursache hatte ich schon entfernt, was aber nun mit dem Mantel.
Ich brauchte einen neuen…. zurück nach Ingham… mit dem Auto. Ich entlud meinen Anhänger und Duncan belud sein Auto… das ich zu viel „Zeugs“ hatte wurde mit jeder Tüte die ich aus dem Trailer zog kommentiert und von mir einfach weg gelächelt. Die Lady-with-the-pushbike war eine Adventure-Tussy. Mir egal, ein bisschen Luxus war sicher dem Gewicht meines Trailers nicht ganz dienlich, so aber meinem Wohlbefinden. Was denken die Leute eigentlich, woher meine Freundlichkeit kommt? Klar, die Reise selbst ist der Knaller, die Art der Fortbewegung das Abenteuer, das Lächeln aber kommt von der Pflege meiner selbst.
Den Trailer konnte man zusammenklappen und so passte auch er in den Kombi von Duncan. Wir hatten uns geeinigt, dass er nach Ingham fährt und sich nach einem Mantel erkundigt. Ich fuhr mit meinem Rad, das nicht mehr ins Auto gepasst hat, zurück in Stadt. Wir verabredeten uns für eine Stunde später am großen gelben M, in keiner Stadt zu übersehen.
Als ich von der Hauptstraße bei McDonald auf den Parkplatz fuhr, konnte ich an seinem Lächeln schon erkenne, es gab eine Lösung. Er hatte 3 Bikeshops aufgesucht und beim dritten Erfolg. Die Mantelgröße entsprach einem Kinderfahrrad und das gab es auch in Australien. Ich machte gleich Nägel mit Köpfen, kaufte zwei neue Mäntel und 2 Schläuche die eine Verstärkung gegen Glas und andere spitze Tücken der Straße hatten. Das freute zwar meine Reisekasse weniger, mehr aber doch meinem Drang nach Sicherheit. So hatte ich jetzt eine kleinen Mantel und zwei Schläuche (einer davon professionell geflickt) für den Trailer als Reserve.
Die Reise wie geplant fort zu führen war in Anbetracht des angebrochenen Nachmittags nicht sinnvoll. Bis Balgal Bay waren es 47 km. Mir war außerdem nach einer Pause. Der Verkäufer aus dem Bikeshop hatte uns einen Sonderpreis in einem Caravanpark in Forrest Beach, direkt am Meer, verschafft. Für mich waren das nochmal 20km mit dem Rad, für Duncan 15min mit dem Auto.
Ohne Trailer war ich schnell wie der Wind und glücklich über den Ausgang meiner Panne. Die Straße zum Meer schlängelte sich durch den Regenwald. Kuhweiden unterbrachen das satte Grün entlang des Weges. Mir war schon lange aufgefallen, dass die Tiere auf Autos, nicht einmal auf die überdimensionalen Trucks reagierten, wohl aber auf mich. Lag es am Rad oder meiner farbenfrohen Bekleidung, sie ergriffen sofort die Flucht. So kam es das sogar eine ganze Kuhherde in eine regelrechte Panik verfiel. Ich war ein Exot.
Zelt aufstellen, Meer sitzen und Sonnenuntergang bestaunen und kochen. Wir hatten uns auf 2 Tage Forrest Beach geeinigt um den Fahrradbeinen ein bisschen Ruhe zu gönne. Auch war es ab und zu lustiger nicht allein zu sein.
27. Juni 2014
Der Ruhetag in Forrest Beach hatte meinen Beinen die nötige Kraft zurück gegeben um meine Reise Richtung Townsville neuen Schwung ermöglicht. Das Angeln im Meer hatte genauso viel Spaß gemacht, wie die Strandwanderung und das Suchen von reifen Kokosnüssen. Dank eines scharfen Messers und Duncans Oberarmkraft wurde diese auch sofort verspeist, bzw. getrunken. Das war ein Genuss. Natürlich passten wir auf, dass uns keine auf den Kopf fiel. In einer Dokumentation über die häufigsten Totesursachen durch die Natur, waren nicht etwa Schlangenbisse und Haiangriffe der Favorit, nein es war die Kokosnuss. Sachen gibt es. Den gefangenen Fisch gab es in der Pfanne gebraten. Lecker kann ich nur sagen. Die doch etwas kühlen Temperaturen waren für den Nachtschlaf angenehm, am Tag jedoch etwas kritisch. Der starke Wind dazu trocknete die Haut noch mehr aus und ich musste aufpassen, mich nicht zu erkälten. Aber dafür hatte ich ja das ganze „Zeugs“ dabei….
Das heutige Tagesziel Balgal Beach war mit 67km ohne Berge keine Schwierigkeit. Wieder winkend verabschiedeten wir uns…. aber das kannten wir beide ja schon.
Der Caravanplatz For Free in Balgal Beach war tatsächlich belagert von großen Wohnmobilen oder -wagen. Die Rentner hatte sich hier ordentlich eingenistet und da es kein Übernachtungszeitlimit gab, wohl gleich für länger. Mein Zelt passte Dank einer älteren Dame zwischen zwei Stellplätzen. Ich musste aber ganz an die Hecke, damit die Nachbarn zum täglichen Abendplausch durchlaufen konnten. In mir wollte schon Protest aufsteigen, mit der Frage ob sie nicht an der anderen Seite ihren Wohnwagen umgehen können, entschied mich dann aber für ein Nicken und konzentrierte mich auf einen zügigen Aufbau. Nach ihrer Schilderung waren sie manchmal 4 oder 6 oder mehr Personen. Heute wohl eher 4, denn einige saßen schon in Ihren Campingstühlen, eine Flasche oder Dose in den üblichen cool bags in der Hand, auf dem Rasen und hatten zu Ihrer Unterhaltung auch den Blick auf mich. Nun wurde beratschlagt… ich mit dem Bike und dem Trailer, dann jetzt allein Zelt aufbauen…. Na Mädels dann seit mal gespannt wie schnell ich mittlerweile beim Aufbau und Ordnen meinen Habseligkeiten war: Zelt 4 min, Luftmatratze aufblasen 1 min (hihi), Schlafsack ausrollen 30 Sekunden, Duschen 10 min, Kochen…… egal, hier ist das Gericht entscheidend. Für eine ausgiebiges Abendmahl hatte ich, wie über all zu finden, ein Picknickhäuschen ganz für mich allein. Noch während ich mein „Süppchen“ kochte, wurde ich 3mal angesprochen und von meinen beiden Nachbarn zu einem Gläschen Wein eingeladen. Eigentlich hatte ich keine Lust dazu, aber mein Zelt stand 1m von der illustren Runde entfernt, an Schlaf und Ruhe also eh nicht zu denken. Aber zuvor genoss ich den Spaziergang am Strand. Es war Ebbe und das Meer lies den Strand wie eine Mondlandschaft zurück. Der Blick endete weit am Horizont ohne eine Menschenseele zu sehen. Klar die waren ja alle am schnacken und picheln.
June und Colin waren aus Tauranga, einer Stadt direkt am Meer auf der nördlichen Insel Neuseelands. Auch Diana und Ben aus Ballina (New South Wales – Australien) hatte es in den sommerlichen Norden Australiens gezogen. Den heimatlichen Temperaturen entflohen, wurde jedes Jahr im Winter eine andere Gegend erkundet. Mit dem Wohnmobil war man flexibel, konnte auch den Wetterkapriolen ausweichen und wurde von allen Touristikunternehmen geliebt. Auch wenn es die Camping For Free Plätze gab, so ließen sie doch genug Geld liegen. Ich verstand nicht alles, aber immer mehr merkte ich das es mir leichter fiel zu verstehen. Der Kontext war wichtig. Manchmal lachte ich mit, wenn nicht, dann wurde es mir nochmal erklärt. So ging es die ganze Zeit um den Bruder von June, der nun auch schon 70jährig, seine Zeit in Australien verbrachte um Saphire zu suchen und bei Glück auch zu finden. Zu ihm waren sie auf dem Weg. Diana stellte die berechtigte Frage ob es denn Sinn macht, sein Geld in diese Wertschöpfung zu stecken… Nein, war die Antwort, es war wohl eher ein Hobby, reich werde man davon nicht. Es sei denn man hat Glück… so wie die Goldsucher vor ca. 130 Jahren und den Goldrausch und somit jede Art von Rausch los traten.
Diana stammte aus England. Sie verstand ich am besten. Sie war es , die auch nach 3 Gläsern Rotwein sensibel und geduldig was ich nicht verstand umschrieb. Irgendwann hatten dann alle Hunger, außer ich, ich hatte ja schon gegessen und verzogen sich ins Restaurant am Bootssteg (hier gab es nach Aussage von June die weltbesten Fish and Ships) oder in die eigene Küche im Wohnwagen. So konnte ich mich zur Ruhe begeben und meinen nächsten Tag planen.
Es war noch dunkel, als ich durch einen Regenguss, wie als würde jemand mit einem Schlauch auf mein Zelt halten, geweckt wurde. Erst wusste ich gar nicht was los war und starr vor Schreck lauschte ich einfach nur den Geräuschen. In regelmäßigen Abständen kam der Regen wieder über mich. Mir wurde klar, ich hatte mein Zelt in den Einzugskreis einer Sprinkleranlage gestellt. Die Dauerrentner hatten bei meiner Ankunft wohl schon das zweite Bier indus, sonst hätten sie sicher daran gedacht. An Aufstehen war nicht zu denken. Es war noch dunkel und was sollte ich tun? Umziehen?
Irgendwann hörte es auf, ich stand auf und tatsächlich, der ganze Platz war trocken, nur ich, der Rasen und die Hecke waren klatsch nass.
Oorschwerbleede…Nun gibt es mehrere Arten dieses Satzwort aus zu sprechen, um die Bedeutung und den Ausdruck zu wandeln. Beginnt man in einer höheren Oktave um diese nach oben dann noch zu steigern, dann ist das die pure Freude über das was gerade passiert. Fängt man in einer tieferen Stimmlage an und steigert dann in der Höhe, so ist die Situation weniger erfreulich, aber auch nicht dramatisch (meist ist die Lösung des Problems schon in Sicht) Und dann der Alptraum. Dabei ist die Stimmlage bei OO schon ganz tief und bleibt dann auch tief…. wer kann geht tiefer…..soll heißen, es ist schon zu spät…. wie zu spät verrät die Langsamkeit der Aussprache und ob das Satzwort abgehackt gesprochen wird. Bei allen 3 Varianten verrät dann noch die Lautstärke wie groß der Schaden oder eben auch die Freude ist.
In meinem Fall entfuhr mir eher zweiteres in leise, denn die Oldies schliefen ja noch.
Beim Packen ließ ich mir Zeit, denn die 72 km bis nach Townsville schienen mir nicht weit. Das Wetter war perfekt und die Strecke flach. Mit Jeff und Margret (Garry`s Freunde) hatte ich mich für den Nachmittag verabredet.
Der Abschied der lustigen Balgal-Beach-Runde war sehr herzlich. Natürlich wurde ich eingeladen. Von June in Neuseeland sogar für 2 Wochen. Es wäre genug Platz da und ich könnte in Ruhe die Gegend erkunden. Auch Diana war sehr rührend. Sie brachte mir eine Salbe, damit meine Stiche der Sunfly`s und Moskitos besser abheilen. Sie habe nur eine kleine Wohnung, aber freut sich wenn ich beim Vorbeifahren einen Stop einlege. Also bleibt mir nur ein Auf Wiedersehen….. und als ich dabei meine Klingel hören lies, gab es ein freudiges Gelächter.