Matauri Bay

 

Nach 2 Wochen Kawakawa war es Zeit an die Planung der nächsten Wochen und Monate zu gehen. In Vorbereitung zu meiner 11 elfmonatigen Reise hatte ich aus meinem privaten und auch beruflichen Umfeld spontan Hilfe angeboten bekommen. Ob es wertvolle Tips für das Wie Wo Wann der Reise waren oder Adressen und Kontakte, ich war jedes mal überrascht. So hatte ich von Brigitte, einer Kollegin bei Reischmann, einen Kontakt der Firma Icebreaker bekommen. Katy McLean, wohnt in Melbourne und ist als Assistentin der Geschäftsleitung für die weltbekannte Firma tätig. Ich verfasste also eine Email und erklärte mein Anliegen. Einpaar Wochen als Wwoofer auf einer Schaffarm. Ich wusste das mit Ende des Winters die Scheerzeit beginnt und das wollte ich erleben. Ich staunte nicht schlecht, dass sich Katy noch am gleichen Tag antwortete und mir 4 mögliche Adressen von Farmen zu kommen ließ, die für Icebreaker produzieren. Natürlich war ich sofort bereit, mich an diese Farmen zu wenden. Was noch erstaunlicher war, dass ich von einer Farm schon am nächsten Tag eine positive Antwort bekam. Ich kann kommen und ich sollte doch anrufen…. Das tat ich dann auch. An der anderen Leitung war Steve Satterthwhaite von Muller Station im Awatare Valley und wir kamen überein, dass ich 2 Wochen bleiben kann, dann würden wir weiter sehen…. Ich konnte in diesem Moment mein Glück gar nicht fassen. Mir war aufgefallen, dass ich immer, wenn das nächste Reiseziel nicht sicher war, mich die Unruhe packte und mir all meine Energie nahm. Eine Schwäche von mir, ich weiß… Loslassen und locker durch die Hose atmen… alles Sprüche die ich kenne, befolge und immer leicht beschmunzle. Aber wenn ich dann mit meinem immer zu viel Gepäck, einer begrenzten Geldsumme und einem gewissen Erfolgsdruck am anderen Ende der Welt sitze, kann auch mich dann die nackte Panik überwältigen. Es findet sich immer eine Lösung… das alles wissen wir, aber dieses Gefühl auch 100% zu leben, ist ein anderer Stiefel. Wen interessiert ob wir scheitern oder Erfolg haben… die Freunde stehen immer zur Seite, egal was passiert. Die Feinde finden auch am Erfolg einer Unternehmung noch etwas was sie ins negative Licht rücken können, also lohnt sich darüber nicht der geringste Gedanke. Deshalb: Gerade sitzen, durchatmen und Weitermachen!

Mit der positiven Nachricht finde ich zu meinem Elan zurück und nutze das nun doch bessere Wetter wieder um mich aufs Rad zu schwingen und die Gegend zu erkunden. Da ich nun mit dem Auto auf der Straße immer sicherer werde, traue ich mich auch allein weitere Strecken zu fahren. Warum hatte ich eigentlich vor dem Linksfahren solch einen Horror… ich weiß es nicht.

Mit dem Auto, das Fahrrad auf dem Rücksitz, fuhr ich ins 40 km entlegene Kerikeri und stellte es im Industriegebiet ab. Die Sonne schien und der Wind war zu bewältigen. Ich war ausgeruht und hatte Spaß durch das satte Grün des Frühlings zu radeln. Im Gegensatz zu Australien hatte Neuseeland nicht diese Hitzeperioden und Drysaison. Frühling bedeutet nicht nur für die Pflanzen neues Erwachen, sondern ist auch Zeit der Lämmer, Fohlen, Kälber, Küken usw. Und alle diese jungen Freunde waren so cute…

Ich wollte schon links abbiegen und der Landstraße folgen, als ich das Schild Matauri Bay und Einbahnstraße (No trough road) las. Ich war ziemlich auf der Anhöhe und der Weg zur Bucht bedeutete an Höhe verlieren und auf dem Heimweg alles wieder nach oben. Aber gut wo ich doch schon mal hier war…. Was soll ich sagen: nach etwa 2 Kurven abwärts öffnete sich der Wald und ich konnte ein: Oh mein Gott nicht verkneifen. Blau, Türkis, weißer Sand, Felsen im Wasser. – ein Moment den ich wohl nie vergessen werde. Ich rollte also den Hügel abwärts und wußte, ich würde den Tag hier verbringen, so lange es geht. Die Bucht hatte ein paar Häuser die auch bewohnt waren, ein paar Wohnwagen die einer Kommune ähnelten und einen großen Caravanplatz, der im Moment keine Kundschaft hatte. Es war noch Offsaison… 100 m entfernt spielten Kinder im Sand, der Vater saß abseits und beobachtete das Treiben. Auf dem Parkplatz standen gerade mal 2 Autos… Zeit für mich mein Mittagsbrot zu verzehren. Die salzige Luft und er weiße Sand, den ich an meinen Füssen spürte, weckte Kindheitserinnerungen an die Ostsee.

Während ich mein selbstgebackenes Brot mit geräuchertem Käse verzehrte, wandern 4 junge Männer am Strand entlang. Ich beobachte die Gruppe und sehe in die unentspannten Gesichter. Na Spaß sieht anders aus… dabei ist der Ort doch einfach nur zum Endlosgrinsen… Nach etwa einer Stunde schau ich mich um, und erkunde ob ich am Meer entlang radeln kann… So auf einer Küstenstraße das wäre super… Dieser Ort hat doch tatsächlich eine Tankstelle und einen Kiosk. Ich bin überrascht. Ich erkundige mich bei der freundlichen Bedienung… Nein, es gibt auch für Fahrräder keine „Weiter“. Aber ich soll doch den Berg besteigen, und die Aussicht auf die Bucht genießen. Das Fahrrad kann ich bei ihr lassen. Danke schön! Ich bin in diesem Moment froh, dass ich keine Klickpedalen und Radschuhe an den Füssen habe. Mit den Turnschuhen ist eine spontane Wanderung jederzeit möglich.

In 5 min bin ich auf dem Berg und dankbar für den Tipp. Die Aussicht ist unglaublich. Die 4 jungen Männer haben sich auch hier hoch verirrt und sitzen auf einer Bank. Nur einer schaut in die Ferne und bewundert mit mir die Natur. 3 von Ihnen sitzen auf einer Bank und sind mit ihrem Smartphone beschäftigt. Wahrscheinlich lesen sie gerade das ihre Freunde ein Bier in einer Kneipe trinken oder was auch immer unwichtig ist. So komme ich mit Andreas ins Gespräch, als ich feststelle, dass die 4 auch aus Deutschland stammen. Nach ein paar Wochen auf einer Kiwifarm haben sie beschlossen, eine Woche den Norden der Nordinsel NZ zu bereisen. Sie waren auf dem Weg zum Cape Reinga, dem nördlichesten Punkt New Zealands.

Es war sehr lustig, als auch die anderen 3 sich der Unterhaltung anschließen und ihre Telefone in der Jacke verschwanden. Wir beschlossen an der Tankstelle eine Kaffee zu trinken, um zu plaudern. Es war immer wichtig, durch Menschen die man auf seiner Reise trifft, an wertvolle Informationen und Insidertipps zu bekommen. Nicht alle vom Reiseführer angepriesenen Spots lohnten sich. Ich hatte ja nun noch nicht soviel von NZ gesehen, konnte aber Bay of Island und Piha Beach mit Lyons Rock vermitteln. Housesitting, dass hatten sie ja noch nie gehört.

Weil die Runde so nett war, und die 4 sympathisch, und ich von dem Glück das ich die ganze Zeit hatte etwas abgeben wollte, lud ich die 4 in das Haus nach Kawakawa ein. Mein Sohn Hannes war vor 11 Jahren ein Jahr in New Zealand als Backpacker, um zu reisen und zu arbeiten. Auch er hatte Erlebnisse der Hilfsbereitschaft. Ich wollte kochen und etwas Zeit in Gesellschaft genießen. Wenn sie also auf dem Rückweg nach Auckland sind, melden sie sich, ob sie kommen oder nicht. Natürlich rechtzeitig, damit ich auch ja das versprochene Brot backe….

Mein Elan kannte keine Grenzen, also nutzte ich die Zeit um kreative zu sein. Den Stoff und die Zutaten, wie Reißverschluß und Faden, hatte ich für 8$ im Secondhandshop erworben und konnte mir vorstellen einen bequemen Einteiler darauß zu machen. Als Vorlage diente eine Sweatjacke, die ich gern trug und meine Fantasie…. Aufpeppen mußte ich den Stoff, da die Farbe so garnicht zu meiner Lebenslust passte… Also besorgte ich im ortsansässigen Fachmarkt Textilmalfarbe und schnitze mit einer Kartoffel ein „US“ (von This-is-us). Kartoffeldruck! Als Kind haben wir so Stoffe mit unseren eigenen Kreationen bedruckt.

Einpaar von Euch wissen, dass ich von einer Kollektion, bzw Hose träume, die für Sportler die richtigen Maße hat. Wer muskulöse Oberschenkel hat und mit einer schmalen Hüfte gesegnet ist, bekommt keine Hose im Einzelhandel zu kaufen… total verrückt, aber leider die Wahrheit. Das mittlerweile so enorme Angebot an Waren aller Art, läßt einen manchmal garnicht leicht atmen und doch gibt es Lücken. Aber seht selbst, was mir nach 2 Tagen gelungen ist. Und vorallem es hat Spaß gemacht produktiv zu sein…

Einpaar Tage später eine Nachricht von den 4 Jungs aus Deutschland: Wir kommen… !

2 Tage mit den Jungs waren Klasse. Sie waren höflich, angenehm, lustig und hilfsbereit. Sag keiner was gegen die junge Generation. Ich war mehr als überrascht. Mir tat es gut, Leben um mich herum zu haben….

2 Tage später luden sie mich nach Whangarei ein, so als Danke schön. Wir gingen zusammen auf den Wochenmarkt, aßen selbstgemachte Lasagne und hatten Spaß in einem Erlebnispark beim Bogenschießen.

Nach diesen harmonischen Tagen war klar, dass wir in Kontakt bleiben und sehen ob sich eine gemeinsame Unternehmung ergibt. Schließlich waren wir ja alle die nächsten Monate im gleichen Land.

Als Kim und Norm nach ihrem 4-wochen-Urlaub nach Hause kamen, war das Haus geputzt, der Garten in Ordnung, die Tiere entspannt und ein Dinner gekocht. Sie hatten eine sehr schöne Zeit mit dem Wohnmobil verbracht und waren von NZ beeindruckt. Klar kann ich mein Rad und ein paar Sachen hier lassen. Ich komme wieder… sehr gern sogar.

Am nächsten Tag brachte mich Kim zum Bus, der mich nach Wellington zur Fähre auf die Südinsel und dann weiter nach Blenheim bringen sollte. Die 7 Stunden Aufenthalt in Auckland wollte ich nutzen, um einzukaufen… ich brauchte neue Laufschuhe. Mein Rucksack und mein Handgepäckrucksack waren so schwer und groß, dass sie in kein Schließfach passten. So musste ich 7 Stunden in der Nähe der Bushaltestelle verbringen. Gott sei Dank war das der Hafen von Auckland und mit Lesen, Schreiben, Leute und Schiffe beobachten verging die Zeit dann doch. Als sich Orcas im Hafenbecken zeigten war die Aufregung groß… Das sie so nahe an das laute Treiben der Großstadt kommen wunderte und freute mich. Leider sind sie auf den Fotos nur als kleine schwarze Punkte erkennbar. Für solche Aufnahmen braucht man doch ein Objektiv.

Gegen Abend saß ich dann im Bus und ich dachte mit einem Lächeln nur: Auf nach Muller Station!

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